Gesellschafterkompetenz

Familienmaximen

Ein resilientes Familienunternehmen hat einen verlässlichen Eigentümerkreis. Gerade bei älteren Familienunternehmen mit einer im Laufe von Generationen gewachsenen Unternehmerfamilie ist zu beobachten, dass Zentrifugalkräfte wirksam werden können und die Bindung der Eigentümer*innen an ihr Unternehmen und untereinander immer loser, unverbindlicher und beliebiger wird. Gemeinsame Familienmaximen helfen, Familie und Unternehmen resilient zu halten.

Gerade bei älteren Familienunternehmen mit einer im Laufe von Generationen gewachsenen Unternehmerfamilie ist zu beobachten, dass Zentrifugalkräfte wirksam werden können und die Bindung der Eigentümer*innen an ihr Unternehmen und untereinander immer loser, unverbindlicher und beliebiger wird.

Mit einer unverbundenen und wenig empathischen Eigentümerschaft kann aber bei einem Familienunternehmen der Wettbewerbsvorteil Familie zum Wettbewerbsnachteil für das Unternehmen werden (siehe auch: Familyness).

Trotzdem gibt es auch viele größere Unternehmerfamilien, bei denen die meisten Mitglieder eine starke Identifikation mit dem Unternehmen und der Großfamilie kennen. Dann gibt es in der Regel eine stabile Familienkultur, eine entsprechende Unternehmenskultur, dann gibt es gemeinsame und von allen voll vertretene → Werteprägungen und oft sehr viele lebendige Geschichten rund um die Gründer oder frühere Unternehmenslenker oder ehemalige Familienmitglieder, die bei jedem Erzählen und (dabei gewollt oder ungewollt) Interpretieren wieder zur Rückbindung beitragen.

Sind keine lebendigen und starken Bindungsmechanismen (mehr) vorhanden, können diese unter Umständen durch einen bewussten Prozess installiert werden, indem die Unternehmerfamilie ihre Maximen reflektiert, formuliert und am Ende auch schriftlich festhält. Diese haben dann für alle Gültigkeit und können gegebenenfalls auch eingefordert werden.


Familienmaximen für Unternehmerfamilien werden in der Praxis unterschiedlich benannt:

Familiencharta
Familiencodex (Familienkodex)
Familienleitlinien/ Familienrichtlinien
Familiensatzung
Familienstrategie
Familienverfassung
Family Governance

Die meisten Begriffe sind leider etwas irreführend. Durch die Diskussion dieser Begriffe, lässt sich darstellen, was Familienmaximen sind/sein sollten und was nicht:

Mit Charta ist eigentlich eine (gar völkerrechtliche) grundlegende Urkunde gemeint, was die Familienmaximen nicht sind und sein wollen.

Codex (Kodex) bezeichnete ursprünglich einen Stapel von Holz- bzw. Wachstafeln bis hin zu Pergament- bzw. Papierblattstapeln, die zwischen Holzdeckeln gebunden waren, also eine Sammlung von (unzusammenhängenden) Notizen, Gedanken. In der Rechtswissenschaft ist Codex heute ein Synonym für Gesetzbuch. Die Familienmaximen sollen aber weder eine lose Blattsammlung von Gedanken darstellen noch entsprechen sie einem Gesetz. Relativ nah scheint noch der Begriff Ehrenkodex zu sein, denn an dessen Vorgaben zum Wohlverhalten orientieren sich alle, die einem solchen (per Eid) zugestimmt haben. Allerdings ist dieser in der Regel gerade nicht schriftlich fixiert. Auch sind Verhaltenscodices nicht zwingend einzuhalten.

Unter Leitlinien versteht man empfehlende Handlungsanweisungen, die aber keinerlei bindenden Charakter haben. Die Familienmaximen sind jedoch mehr als nur Empfehlungen. Die Familienmitglieder fühlen sich durchaus daran gebunden.

Richtlinien sind meist sehr konkrete Ausführungsvorschriften, die ‚von oben‘ erlassen wurden und wenig Spielraum für individuelle Ausgestaltung eröffnen. Familienmaximen sollten aber nicht durch eine übergeordnete Person, ein übergeordnetes Gremium oder eine Institution erlassen, sondern von allen Mitgliedern getragen werden. Auch sollten sie keine engen Ausführungsvorschriften darstellen, da sie gerade bei unvorhersehbaren und bisher undenkbaren Ereignissen Gültigkeit haben und bei der Entscheidungsfindung helfen sollten.

Mit Satzung werden entweder Verträge oder sogar Rechtsnormen bezeichnet, die justiziabel sind. Familienmaximen sind dies aber in der Regel nicht und sollen es auch nicht sein.

Der ursprünglich aus dem Militär stammende Begriff Strategie wird heute häufig auch im Wirtschaftsleben bemüht. Mit ihm ist in der Regel ein sehr konkreter und vollständiger Plan unter Berücksichtigung aller verfügbaren Mittel und Ressourcen und unter Einplanung von Widrigkeiten gemeint, um ein längerfristiges Ziel zu erreichen. Familienmaximen sind jedoch keine konkreten Pläne, sondern bilden Grundprinzipien, auf deren Basis Pläne erarbeitet werden können.

Unter Verfassung versteht man das zentrale Rechtsdokument (eines Staates), das Grundgesetz. Sie ist grundlegend, absolut bindend und justiziabel. Familienmaximen sind zwar (moralisch) bindend, haben aber keinesfalls den mächtigen Status eines Grundgesetzes.

Mit Governance werden Kontroll- und Steuerungsstrukturen bezeichnet. Dabei geht es um Ordnungsprinzipien und die Regelung von Beziehungen von Einzelelementen, damit ein System als Ganzes funktioniert. Die Governance dient dem Management einer komplexen Organisation, sie ist ein Lenkungs- und Führungs- bzw. Verwaltungs- und Regelungsinstrument. Sie wirkt operativ und nicht normativ, was Familienmaximen jedoch tun (sollten).

Grundsatz ist ein Begriff, der sehr gut trifft, da ein Grundsatz eine Erkenntnis (oder auch Regel) darstellt, welche die Basis für nachfolgende Überlegungen und Handlungen bildet. Grundsätze sind also normativ. Außerdem sind sie (allgemein) anerkannt und verpflichtend, klar formulierbar, nicht weiter reduzierbar, in sich konsistent, unmittelbar einleuchtend und stellen ein Hilfsmittel dar, komplexe Zusammenhänge zu gliedern. Schönheitsfehler ist allerdings, dass ‚im Grundsatz‘ in der Rechtssprache ‚Regel mit Ausnahmevorbehalt‘ bedeutet und damit gerade die Allgemeingültigkeit und Verbindlichkeit relativiert wird.

Aus der (französischen) Moralphilosophie ist der Begriff Maxime bekannt. Er wird dort verwendet, um die obersten (persönlichen) Lebensregeln bzw. die (persönlichen) Grundsätze zu beschreiben, die das eigene Wollen und Handeln unmittelbar und maßgeblich steuern. Maximen entsprechen damit einem subjektiven (nicht rechtlichen) Gesetz, das Grundlage für das eigene Denken und Agieren bildet. Wird dieser Begriff nun vom einzelnen Individuum auf eine Familie übertragen, so stellen die Familienmaximen die familiensubjektiven, normativen und (moralisch) verbindlichen Grundsätze für die Familienmitglieder dar, die ihr Denken und Handeln leiten und bestimmen.

Weiterführende Literatur:
Baus, Kirsten, Die Familienstrategie: Wie Familien ihr Unternehmen über Generationen sichern, Springer Gabler Verlag: Heidelberg 2010, ISBN 978-3-834921956
Kolbeck, Christoph/ Bauer, Tim, Family Governance in deutschen Familienunternehmen. Eine empirische Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen,EQUA-Schriftenreihe Heft 9/2011, Unternehmer Medien: Bonn 2011, ISBN 978-3-93796013

Schlagworte
Familiendynamik
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