In der Tradition des römischen Rechts geht die deutsche Gesetzgebung davon aus, dass Witwen und Waisen ein gewisses Anrecht auf Versorgung durch den Nachlass von zu Lebzeiten für sie sorgenden Verstorbenen besitzen, ohne dass dies vollumfänglich von deren letztem Willen abhängig sein soll.
Gesetzlicher Pflichtteilsanspruch
In der Tradition des römischen Rechts geht die deutsche Gesetzgebung davon aus, dass Witwen und Waisen ein gewisses Anrecht auf Versorgung durch den Nachlass von zu Lebzeiten für sie sorgenden Verstorbenen besitzen, ohne dass dies vollumfänglich von deren letztem Willen abhängig sein soll. Insofern wird nahen Angehörigen eine gesetzliche Mindestbeteiligung am Nachlass zugesichert (und somit der willkürlichen Freiheit von Testamenten eine Grenze gesetzt). Abkömmlinge, Eltern, Ehegatt*innen und Lebenspartner*innen von Erblasser*innen erhalten daher auch dann ein (Teil-) Erbe, wenn sie durch das Testament ausdrücklich vom Erbe ausgeschlossen wurden. Ihnen steht der sogenannte Pflichtteil zu, der der Hälfte des gesetzlichen Erbteils entspricht. Er ist sofort und in bar fällig.
Besonderer Hinweis für Unternehmerfamilien:
Unternehmerfamilien besitzen häufig keine nennenswerten Barvermögen, sondern oft ist das gesamte Vermögen in der Firma gebunden. Muss nun im Erbfall ein Pflichtteil von den (eingesetzten) Erb*innen sofort und in bar an die (eigentlich vom Erbe ausgeschlossenen) Pflichtteilanspruchsberechtigten ausbezahlt werden, kann dies eine ernstliche Bedrohung für die Firma darstellen, die bis hin zu deren Zerschlagung führen kann.
Um dieser Gefahr vorzubeugen und das Unternehmen zu schützen, lassen viele Unternehmerfamilien von allen volljährigen, gesetzlich Erbberechtigten einen sog. Pflichtteilsverzicht unterzeichnen. Dieser besagt nichts darüber, ob die Unterzeichner*innen später als Erb*innen eingesetzt werden oder nicht. Er befreit das Unternehmen lediglich vor unvorhersehbarem Liquiditätsabfluss (in bar und sofort), der Firmen an den Rande des oder sogar in den Ruin treiben kann.
Jeder, der einen Pflichtteilsverzicht unterzeichnet, zeigt seine Verantwortung gegenüber dem Unternehmen, den Mitarbeiterfamilien, den Kunden, Lieferanten und beweist gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein.
Weiterführende Literatur:
Mayer, Jörg/ Süß, Rembert/ Tanck, Manuel et al., Handbuch Pflichtteilsrecht, Verlag: Zerb, Bonn 32018, ISBN 978-3-95661-072-1
Schlitt, Gerhard/ Müller, Gabriele, Handbuch Pflichtteilsrecht, Verlag: Beck, München 2010, ISBN 978-3-406586941
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. April 2005: BVerfG, 1 BvR 1644/00 vom 19. April 2005, Absatz-Nr. (1-98)